Neue nationale Teststrategie: Gezielter testen, Qualität sichern, Krisenreaktionskräfte schonen

 

In der zweiten Welle der COVID-19-Pandemie müssen die Coronavirus-Testkapazitäten wieder gezielter eingesetzt werden, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Auf Antigentests soll nur zurückgegriffen werden, wenn das Standard-Testverfahren PCR (Polymerase Chain Reaction) im medizinischen Labor voll ausgelastet ist. Auf allen Ebenen gilt es, die Krisenreaktionskräfte des deutschen Gesundheitssystems durch präventive Maßnahmen zu schützen. Das sind die Kernforderungen des Berufsverbandes Deutscher Laborärzte (BDL) für die neue nationale Teststrategie, die zum 15. Oktober in Kraft treten soll.

 

Die deutschen Laborärzte fordern, dass weiterhin ärztliche Expertise darüber entscheidet, wer getestet wird und wer nicht. Die Kräfte der Mitarbeiter in Praxen, Kliniken und öffentlichem Gesundheitsdienst müssten geschont werden, statt sie mit Massentests zu erschöpfen.

 

Dazu betont der BDL-Vorsitzende Dr. Andreas Bobrowski, in der ersten Welle der COVID-19-Pandemie hätten die beauftragenden Ärzte in den Praxen und Krankenhäusern sichergestellt, dass die medizinischen Labore besonders gefährdete Gruppen oder medizinisches Personal jederzeit testen könnten: „Diese Gruppen dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren. Unser arbeitsteiliges Gesundheitssystem mit zwei starken, gut verzahnten Sektoren hat dafür gesorgt, dass das medizinische Fachpersonal optimal eingesetzt wird: Die Arztpraxen müssen die erste Anlaufstelle für Verdachtsfälle bleiben, Testzentren können bei der Durchführung der Tests entlasten, die Krankenhäuser versorgen die schwer Erkrankten. Alle Patientinnen und Patienten müssen sich darauf verlassen können, dass wir uns um das gesamte Krankheitsgeschehen und nicht nur um die Pandemie kümmern“, so der Lübecker Laborarzt.

 

Bobrowski fordert, dass Antigentests nur von dafür ausgebildetem Fachpersonal im medizinischen Labor durchgeführt werden. „Die Qualitätsanforderungen an die Coronavirus-Diagnostik lassen es nicht zu, dass angelernte Personen bei der anerkannten Überlastungssituation in den Altersheimen Antigentests durchführen.“ Gleiches gelte für die Schulen. Auch die Sicherheitsanforderungen an die Testumgebung könnten dort nicht erfüllt werden. Mögliche Fehldiagnosen und weitere Infektionen vor Ort und in der allgemeinen Bevölkerung seien zu befürchten.

 

Der Lübecker Laborarzt weist zudem darauf hin, dass die 14-tägige strikte Quarantäne für Infizierte auf ein ärztliches Zeugnis hin angeordnet wird: „Falls mit den neuen Antigentests berechtige Zweifel an der Qualität der Infektionsdiagnostik aufkommen, sinkt die Bereitschaft, die strikte Quarantäne einzuhalten.“ Für die Durchführung von Antigentests nur bei Kapazitätsüberlastung und nur im medizinischen Labor spreche auch die bewährte Arbeitsorganisation im Gesundheitswesen, so Bobrowski: „Die Arbeitsteiligkeit zwischen Haus- und Fachärzten einerseits und den diagnostischen Fächern andererseits gehört zu den herausragenden Stärken des deutschen Gesundheitssystems. Dieses Qualitätsmerkmal gilt es zu erhalten, um Ressourcen für ärztliche Anamnese, Beratung und Therapie zu sichern.“

 

Der BDL erinnert daran, dass Antigentests derzeit bei weitem nicht so zuverlässig sind wie die bewährten PCR-Tests. Daher könnten Antigentests bestenfalls dort entlasten, wo die PCR-Kapazitäten voll ausgeschöpft werden. Zumindest jeder positive Antigentest müsse durch einen PCR-Test abgesichert werden. Zudem solle das Antigen-Verfahren nicht für Hochrisikopatienten und medizinisches Personal eingesetzt werden.

 

Um die nationale Teststrategie weiterzuentwickeln, fordert der BDL eine zweite Werbekampagne für die Corona-Warn-App. Die App sei ein Beitrag zu effektiverem Testen, da sie Personen identifiziert, die das Virus weitertragen könnten. Der BDL erneuert seine Forderung nach einer Umstellung auf das Opt-Out-Verfahren. Damit würde jeder, der beim Download der App nicht ausdrücklich widerspricht, sein Einverständnis geben, dass im Infektionsfall Kontaktpersonen über die App gewarnt werden.

 

Die Stellungnahmen des BDL zu den aktuell geplanten Änderungen der SARS-CoV-2-Testverordnungen finden Sie hier.