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Lotsenfunktion in Gefahr. Fehlgeleitete Reformen schwächen die Möglichkeiten ärztlicher Diagnostiker im Labor

Für das Erkennen und Behandeln von Erkrankungen spielt die Labormedizin eine zentrale Rolle. Kaum eine Diagnose, kaum eine Therapie ist in der modernen Medizin ohne Erkenntnisse aus dem Labor vorstellbar. In keinem anderen medizinischen Fach ist das Zeitfenster zwischen den Erkenntnissen aus der Grundlagenforschung und ihrer Einführung in die Patientenversorgung so kurz wie in der Labormedizin. Diese Lotsenfunktion sollte der dritte „Aktionstag Labordiagnostik“ stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken, der am 11. April 2019 im Kaiserin-Friedrich-Haus in Berlin stattfand. Die Ergebnisse dieses Aktionstags wurden von den ausrichtenden Fachverbänden, dem Berufsverband Deutscher Laborärzte (BDL) und der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL), heute (12.04.2019) in Berlin vorgestellt.

 

Therapeutisches Drug Monitoring

Über „Therapeutisches Drug Monitoring“ (TDM) von Antiinfektiva referierte Dr. med. Sven Schimanski, Chefarzt am Institut für Laboratoriumsmedizin, Mikrobiologie und Krankenhaushygiene (ILMH) am Klinikum Bayreuth. Beim TDM wird die Konzentration von Medikamenten in Körperflüssigkeiten, vor allem im Blut, bestimmt. Da Medikamente in der Regel nicht als feste Dosis, sondern angepasst an den individuellen Patienten verabreicht werden, kann mit Hilfe von TDM die Wirksamkeit verbessert und die Häufigkeit von unerwünschten Nebenwirkungen vermindert werden. Sehr gut erkennbar wird dies am Monitoring von Immunsuppressiva bei Patienten nach Organtransplantationen.

 

Immunsuppressiva sind Substanzen, welche die Funktion des Immunsystems vermindern. Auch bei der Behandlung von Infektionen kann die Bestimmung der Arzneimittelkonzentration im Blut und gegebenenfalls auch im Gewebe eine effektivere und nebenwirkungsärmere Therapie ermöglichen. Hier hat TDM ein großes Potential. Die präanalytischen, analytischen und postanalytischen Kriterien müssen jedoch für viele Anwendungen noch genauer untersucht und festgelegt werden. Abschließend betonte Dr. Schimanski, Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz des TDM in der Humanmedizin sei, dass die Diagnostik inklusive der erforderlichen Qualitätssicherung in den Händen kompetenter Ärzte der Laboratoriumsmedizin liege.

 

Die Bedeutung des Basislabors

Die „Bedeutung des Basislabors bei akuten Vergiftungen“ verdeutlichte Dr. rer. nat. Jürgen Hallbach. Der Klinische Chemiker und Toxikologe war bis vor kurzem stellvertretender Departmentleiter der Institute für Klinische Chemie des städtischen Klinikums München und gehört dem Präsidium der DGKL an. Im akuten Fall muss schnell abgeklärt werden, welche Vergiftung vorliegt, damit umgehend eine gegebenenfalls auch hochspezifische Therapie eingeleitet werden kann. Neben der Vergiftungsanalytik in spezialisierten Laboratorien können hier auch einfache Untersuchungen im Basislabor von Bedeutung sein. Als Basislabor werden Einrichtungen definiert, in denen Untersuchungen rund um die Uhr durchgeführt werden können, ohne dass das Personal über  Spezialkompetenzen verfügen muss. Maßgebliche Werte für die Einschätzung einer Vergiftung sind Blutbild, Gerinnungsparameter, Herz-, Nieren- und Leberparameter sowie Laktat.

 

Dr. Hallbach nannte eine Reihe von Beispielen für typische Vergiftungsfälle, darunter Eisenvergiftungen, die häufig bei Kindern auftreten. Eisenpräparate enthalten 20 Prozent elementares Eisen, haben oft einen süßen Überzug und dürfen daher nicht in Kinderhände gelangen. Schluckt ein Kind versehentlich eine Überdosis, dann kann das resorbierte freie Eisen zur Schädigung der Schleimhäute im Magen-Darm-Trakt führen mit der Gefahr einer schweren Multiorgan-Erkrankung.

 

Andere häufige Vergiftungen entstehen durch Methanol oder durch Medikamente zur Behandlung von Herzerkrankungen wie Digoxin bzw. Digitoxin. Aber auch in gängigen Schmerzmitteln wie Paracetamol lauern Gefahren. Paracetamol gehört zu den meist verwendeten Schmerzmitteln und gilt als sehr sicher und nebenwirkungsarm. Bei starker Überdosierung kann jedoch ein fulminantes Leberversagen auftreten. Um dies zu verhindern, muss im Notfall sehr schnell die Paracetamol-Konzentration im Blut bestimmt werden. Daher sollte die Paracetamol-Bestimmung zu den Parametern des Basislabors in der Notfallversorgung gehören, forderte Dr. Hallbach.

 

Probleme der Laborreform

Mit den Problemen, die sich für die Laboratoriumsmedizin aus den aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen ergeben, setzte sich der BDL-Vorsitzende Dr. rer. nat. Andreas Bobrowski auseinander. Der BDL sieht die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Lotsenfunktion der ärztlichen Diagnostiker im Labor durch die Laborreform 2018 geschwächt. Die Leistungen der Labore dürften nicht nach rein monetären statt nach medizinischen Kriterien gesteuert werden, sagte Bobrowski.

 

Die Neuregelung des Wirtschaftlichkeitsbonus und Reduzierung budgetbefreiter Ausnahmekennziffern durch die Laborreform setze falsche Anreize für behandelnde Ärzte, medizinisch sinnvolle oder gebotene diagnostische Leistungen zu unterlassen, etwa in der Früherkennung der Hepatitis oder der Thrombophilie-Diagnostik, führte Bobrowski aus. Eine andere Folge sei, dass Patienten an Ärzte anderer Fachgruppen überwiesen würden, damit diese die nötige Labordiagnostik anfordern. Auch dies führe aufgrund längerer Wartezeiten zu einer Verschlechterung der Patientenversorgung. „Wenn das Gesundheitssystem ärztlichen Kollegen signalisiert, dass ihnen Laborleistungen vor allem wirtschaftliche Probleme verursachen, verändert das auch ihre Arbeit am Patienten“, erklärte Bobrowski. „Dies mag wirtschaftlich rational begründbar sein, kann für den Patienten aber eine Verzögerung in Diagnosestellung oder Therapiekontrolle bedeuten. Somit leiden Ärzte und Patienten unter einer Reform, die einzig und allein monetär getrieben ist – und das in einer Zeit, in der die gesetzlichen Krankenkassen Rekordüberschüsse verzeichnen.“

 

Bobrowski warb dafür, stattdessen Qualität in der Indikationsstellung zu belohnen. Nicht die Labordiagnostik mit ihrem weniger als dreiprozentigen Anteil an den Gesamtausgaben im Gesundheitswesen wirke kostentreibend, sondern zu spät erkannte Gesundheitsrisiken und fehlgeleitete Therapien. Zugleich müsse die „Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen“ (Rili-BÄK) für alle labordiagnostischen Leistungserbringer verbindlich umgesetzt und kontrolliert werden. Hier setzt der BDL große Hoffnungen in die neue Qualitätssicherungsvereinbarung Spezial-Labor im Bereich der GKV.

 

„Der nächste Schritt ist ein einheitliches Verzeichnis labormedizinischer Leistungen mit dem Ziel, diese transparent und vergleichbar zu machen. Damit legen wir die Basis für die Etablierung der elektronischen Patientenakte und für einen Qualitätssprung in der Arzt-zu-Arzt-Kommunikation, die wir als Lotsen im Gesundheitssystem dringend weiterentwickeln möchten“, sagte Bobrowski.

 

Die frühzeitige Erkennung von Bedrohungen der menschlichen Gesundheit und von künftigen Krankheitsrisiken ist das wichtigste Potential der Labormedizin. Ob und wie diese Möglichkeiten genutzt werden, entscheidet sich in der Zusammenarbeit von Laborärzten, Mikrobiologen und Klinischen Chemikern mit ihren Kolleginnen und Kollegen anderer medizinischer Fachrichtungen. Dieses Zusammenwirken zu fördern haben sich BDL und DGKL zur Aufgabe gemacht.